„Der letzte Deutsch-Test war wieder einmal viel zu leicht.“, sagt Sabine zu ihrer Kollegin. „Warum denn das?“, erwidert Maria. Sabine: „Na ja, ich hatte nur drei 2er und einen 3er. Alle anderen Schüler hatten Einsen.“ Maria: „Freu dich doch, dass deine Schüler so gut sind!

So oder so ähnlich spielt es sich täglich im Konferenzzimmer ab.

Es ist eine Kunst den Schwierigkeitsgrad eines Tests so festzulegen, dass er nicht zu leicht und nicht zu schwer wird. Auch wenn wir uns bemühen, unterschätzen wir manchmal den Schwierigkeitsgrad oder die Art wie eine Frage formuliert ist. Dies kann dazu führen, dass sie von den Schüler:innen missverstanden und dadurch falsch beantwortet wird.

Doch was können wir machen, wenn unser Test „zu schwer“ oder „zu leicht“ war? Eine Möglichkeit wäre, dass wir einzelne Fragen streichen oder den Punktewert von Fragen abändern und anpassen. Das wäre all jenen Schüler:innen unfair gegenüber, die diese Fragen richtig beantwortet haben.

In diesen Artikel möchte ich Dir zeigen, wie Du durch ein Berechnungsverfahren die erzielten Punkte der Schüler:innen so verändern kannst, dass sich die Noten besser verteilen.

WIE SOLLEN NOTEN IDEALERWEISE VERTEILT SEIN?

Du hast sicher schon einmal von einer „Normalverteilung“, „Gauß-Verteilung“ oder der „Gauß‘schen Glockenkurve“ gehört. Alle diese Begriffe beschreiben die gleiche stochastische Verteilungsfunktion. Kaum zu glauben, aber die Gauß’sche Glockenkurve ist nicht nach unseren Gauß benannt, sondern nach Johann Carl Friedrich Gauß, der Anfang des 19. Jahrhunderts wichtige Beiträge zur mathematischen Definition dieser Wahrscheinlichkeitsverteilung machte.

001 Gauss Glockenkurve 1000.b8533705
Unser Gauß vor einer Gauß’schen Glockenkurve aus Leckerlies

Das erstaunliche an der Normalverteilung ist, dass viele „zufällige“ Ereignisse, die in der Natur vorkommen, dieser Verteilung folgen. Dies kannst Du in einem einfachen Experiment ausprobieren: Miss beispielsweise die Körpergröße oder das Gewicht deiner Schüler:innen und Du wirst sehen, dass diese Werte in etwa einer Normalverteilung entsprechen.

Der Anspruch, dass die Notenverteilung einer Normalverteilung entspricht, wird im Lehrkörper immer wieder heiß thematisiert. Eine Normalverteilung der Noten ist oft „erwünscht“. Doch hier muss man sich vor Augen führen, dass dies nicht immer zwingend der Fall sein muss – und schon gar nicht immer sinnvoll ist – doch für unser folgendes Beispiel können wir uns vorläufig einmal an der Normalverteilung orientieren. Sehen wir uns dazu die Gauß-Verteilung von 5 bzw. 6 Noten an.

5 Noten in Normalverteilung
5 Noten in Normalverteilung
6 Noten in Normalverteilung
6 Noten in Normalverteilung

Wie wir hier anhand dieser Grafik sehen können, erwarten wir eine relativ hohe Anzahl an durchschnittlichen Noten. Je besser bzw. schlechter die Note ist, desto geringer ist die Anzahl der Noten, die wir erwarten.

Erzielt ein Test nun zum größten Teil gute oder hauptsächlich schlechte Noten, so entspricht das Ergebnis nicht mehr einer Normalverteilung. Wir können nun versuchen mit einem Verfahren unsere Testergebnisse so zu verändern, dass die Notenverteilung mehr der gauß’schen Kurve entspricht.

NORMIERUNG

Ein wesentlicher Bestandteil unseres Verfahrens ist die sogenannte „Normierung“. Darunter versteht man das Anpassen eines Wertebereiches an eine normierte Skala. Um dies besser verständlich zu machen, ein kleines Beispiel.

Angenommen wir haben einen Test mit maximal 100 Punkte erstellt. Unsere Punkteskala hat also den Bereich 0 bis 100 Punkte. Nach der Auswertung der Arbeiten stellt die Lehrperson fest, dass bei den besten Ergebnissen höchstens 87 Punkte erreicht wurden. Mit der Normierung können wir nun die Wertigkeit der erreichten Punkte verändern und an die Punkteskala anpassen.

SCHRITTE ZUR NORMIERUNG EINER PUNKTESKALA

Du kannst die Normalisierung nutzen um die tatsächlich erreichten Punkte bei einem Test umzuschlüsseln. Das heißt sie bekommen eine andere Wertigkeit. Es gibt verschiedene Arten, um die Skala zu normieren. Wir verwenden hier eine relative einfache lineare Skalierung, die dafür sorgt, dass das Testergebnis tendenziell besser ausfällt. Es gibt aber auch alternative Verfahren und wir können mit einer geeigneten Methodik sogar eine Normalverteilung der Noten erzwingen.

Keine Sorge, es kommt jetzt ein bisschen Mathematik, aber im Anschluss, rechnen wir das Verfahren anhand von drei Beispiel noch einmal Schritt für Schritt gemeinsam durch und Du wirst sehen, so kompliziert ist es gar nicht.

Zuerst benötigen wir den Maximalwert und den Durchschnittswert der erreichten Punkte. Wir bezeichnen diese mit Imax und Iavg Imax ist einfach zu ermitteln, den das ist der beste Punktewert, den ein/e Schüler:in erreicht hat. Für Iavg werden die Punktwerte aller Tests zusammengezählt und durch deren Anzahl dividiert.

Als Nächstes benötigen wir den Maximalwert und den idealen Durchschnittswert der Punkteskala, Smax bzw. Savg . Dabei ist Smax der Punktewert der maximal zu erreichen war. Für Savg dürfen wir aber nicht den Mittelwert der Punkteskala nehmen, den das wäre gerade eben eine positive Note. Viel mehr nehmen wir die obere Hälfte der Punkteskala und nehmen von dort den mittleren Wert: Savg = P Smax/2 – 1 + (P Smax/2+1)/2. Mit ein bisschen Algebra kann man den Ausdruck vereinfachen zu Savg = 3/4*P Smax – 0,5.

Mit diesen Zwischenergebnisse Berechnen wir nun den Versatz V = P Savg – P Iavg und den Skalierungsfaktor S = P Smax /(P Imax + V). Diese beiden Werte dienen dazu, für eine Punktewert P den normierten Wert Pn zu berechnen. Wir addieren zum Punktewert den Versatz und multiplizieren die Summe mit den Skalierungsfaktor, also n = S*(P + V).

Noch einmal zusammengefasst:

  1. Notier Dir den höchsten erreichten Punktewert Imax
  2. Ermittle den durchschnittlich erreichten Punktewert Iavg
  3. Notier Dir den höchsten erreichbaren Punktewert Smax
  4. Ermittle den idealen Durchschnittswert Savg = 3/4*P Smax – 0,5
  5. Rechne Dir den Versatz V aus. V = P Savg – P Iavg
  6. Rechne Dir den Skalierungsfaktor S aus. S = P Smax/(P Imax + V)
  7. Für jeden erreichten Punktewert rechnest du n = S*(P + V)

Anmerkung: Das Normierungsverfahren funktioniert dann besonders gut, wenn die erreichten Punkte über ein gewisses Intervall verteilt sind. Beachte: Haben alle Schüler:innen den gleichen Punktewert erzielt, kannst du mit der Normierung nicht mehr viel verändern.

EIN PAAR KONKRETE BEISPIELE

Um das Ganze anschaulicher zu machen, möchte ich Dir anhand von drei konkreten Beispielen erläutern, wie dieses Verfahren funktioniert. Dazu habe ich mithilfe von Excel einige Zufallswerte für drei verschiedene Test-Szenarien generiert. Im ersten Szenario ist der Test schlecht ausgegangen, im zweiten gut und im dritten Szenario haben wir einen Test, der bereits normalverteilt ist.

In jedem Szenario bin ich von 20 Schülern und einem maximalen Punktewert von 50 Punkte ausgegangen. Benotet wird mit den Noten 1 (sehr gut) bis 5 (nicht genügend). Für eine 4 sind mindestens die Hälfte der Punkte notwendig. Das Verfahren lässt sich jedoch auf jede beliebige Notenskala anwenden. In erster Linie habe ich fünf Noten genommen, denn so liegt die 3 genau in der Mitte. (Und in zweiter Linie, weil ich ein Schulsystem mit 5 Noten gewohnt bin 😉.)

Der Notenschlüssel für die Beispiele sieht wie folgt immer gleich aus:

NotePunkte vonPunkte bis
14550
23944
33238
42531
5024

Beispiel 1: Der Test ist schlecht ausgegangen

In diesem Beispiel hast Du deinen Test zu schwer gestaltet und die Schüler:innen haben wenig Punkte erreicht. Die Punkteverteilung sieht wie folgt aus:

SchülerPunkteNote
Schüler 1333
Schüler 2314
Schüler 3314
Schüler 4314
Schüler 5304
Schüler 6284
Schüler 7264
Schüler 8254
Schüler 9215
Schüler 10185
Schüler 11165
Schüler 12155
Schüler 13145
Schüler 14135
Schüler 15125
Schüler 1685
Schüler 1785
Schüler 1855
Schüler 1935
Schüler 2005
Durchschnitt18.44.55

Daraus ergibt sich folgende Notenverteilung:

Beispiel1 Vorher
Beispiel 1: Die Notenverteilung vor der Normierung

Wir können nun unser Verfahren wie eingangs beschrieben wurde anwenden. Die Maximal- und Durchschnittswerte für die zu erreichenden und tatsächlich erreichten Punkte können wir relativ einfach ermitteln:

  • Imax = 33
  • Iavg = 18,4
  • Smax = 50
  • Savg = 3*4/PSmax – 0,5 = 37

Wir können hier schon erkennen, dass der Test ordentlich in die Hose gegangen ist. Die/Der beste Schüler:in haben weniger Punkte (33) als unser erwarteter Durchschnittswert von 37. Mehr als die Hälfte der Kinder war negativ (12 von 20 Schüler:innen).

Mit diesen Werten errechnen wir nun V und S:

  • V = P Savg – P Iavg = 37 – 18,4 = 19,1
  • S = P Smax /(P Imax + V) = 50/(33+19,1)=50/52,1 = 0,96

Nun wenden wir die Normierungsformel n = S*(P + V) auf die Punktetabelle von oben an:

SchülerPnNote
Schüler 13350,01
Schüler 23148,11
Schüler 33148,11
Schüler 43148,11
Schüler 53047,11
Schüler 62845,21
Schüler 72643,32
Schüler 82542,32
Schüler 92138,52
Schüler 101835,63
Schüler 111633,73
Schüler 121532,73
Schüler 131431,83
Schüler 141330,84
Schüler 151229,82
Schüler 16826,04
Schüler 17826,04
Schüler 18523,15
Schüler 19321,25
Schüler 20018,35
Durchschnitt18,436,02,75

Was sehen wir nun?

  • Unser/e beste/r Schüler:in hat automatisch die Höchstpunktezahl von 50 Punkte.
  • Der durchschnittliche Punktewerte ist fast beim idealen Durchschnitt von 37 Punkten.
  • Die Durchschnittsnote hat sich mit 2,75 deutlich verbessert.
  • Die Punkteverteilung sieht viel gleichmäßiger aus.
  • Die Noten 2-5 scheinen einer Glockenform zu folgen, nur die 1 sticht noch heraus.
Beispiel1 Nachher
Beispiel 1: Die Notenverteilung nach der Normierung

Beispiel 2: Der Test ist gut ausgegangen

Im Anschluss betrachten wir ein Beispiel, indem wir außerordentlich viele gute Noten haben:

SchülerPunkteNote
Schüler 1501
Schüler 2501
Schüler 3501
Schüler 4491
Schüler 5491
Schüler 6461
Schüler 7451
Schüler 8451
Schüler 9422
Schüler 10422
Schüler 11412
Schüler 12402
Schüler 13402
Schüler 14402
Schüler 15392
Schüler 16353
Schüler 17353
Schüler 18333
Schüler 19284
Schüler 20235
Durchschnitt41,12,00

Auch hier können wir eine Normalisierung anwenden. Ermitteln wir zuerst unsere Variablen:

  • Imax = 50
  • Iavg = 41,1
  • Smax = 50
  • Savg = 3*4/PSmax – 0,5 = 37
  • V = P Savg – PIavg = 37 – 41,1 = -4,1
  • S = P Smax /( PImax + V) = 50/(50-4,1)=50/45,9 = 1,09

Interessant ist hier, dass V negativ ist. Das bedeutet, dass wir unsere Notenskala nach unten normalisieren, d. h. die Noten werden schlechter. Zugegeben, in der Praxis wird man das eher selten einsetzen, aber wir können das Ganze ja trotzdem durchrechnen.

Hier sehen wir noch die Notenverteilung vor der Normalisierung. Viele Einser und Zweier, aber trotz dessen noch ein Vierer und ein Fünfer. Scheinbar hat nicht jeder das Memo bekommen, dass ein Test ist…

Beispiel2 Vorher
Beispiel 2: Der Test ist gut ausgegangen

Mit unseren Werten von oben können wir nun normalisieren:

SchülerPnNote
Schüler 15050,01
Schüler 25050,01
Schüler 35050,01
Schüler 44948,91
Schüler 54948,91
Schüler 64644,61
Schüler 74544,62
Schüler 84544,62
Schüler 94241,32
Schüler 104241,32
Schüler 114140,22
Schüler 124039,12
Schüler 134039,12
Schüler 144039,12
Schüler 153938,03
Schüler 163533,73
Schüler 173533,73
Schüler 183331,54
Schüler 192826,04
Schüler 202320,65
Durchschnitt41,140,32,20

Wie zu erwarten war, haben sich der Punkteschnitt sowie die Durchschnittsnote etwas verschlechtert. Das macht sich ganz besonders in der Notenverteilung bemerkbar:

Beispiel2 Nachher
Beispiel 2: Die Notenverteilung nach der Normierung

Zu sehen ist, dass durch unser Normalisierungsverfahren die Verteilungsspitze nach rechts rückt (von 1 auf 2). Mit ein bisschen Fantasie kann man hier schon eine Glockenkurve erkennen.

Beispiel 3: Die Noten sind bereits normalverteilt

Als letztes Beispiel wollen wir uns ansehen wie sich das Verfahren auf einer Notenverteilung auswirkt, die bereits eine Gauß-Verteilung darstellt. Hier ist unsere Erwartung, dass die normalisierten Noten kaum von der Ausgangsbasis abweichen.

SchülerPunkteNote
Schüler 1501
Schüler 2481
Schüler 3461
Schüler 4421
Schüler 5402
Schüler 6392
Schüler 7392
Schüler 8373
Schüler 9373
Schüler 10363
Schüler 11363
Schüler 12353
Schüler 13323
Schüler 14304
Schüler 15284
Schüler 16264
Schüler 17254
Schüler 18235
Schüler 19154
Schüler 20145
Durchschnitt33,93,00
Beispiel3
Beispiel 3: Die Noten folgen vor und nach der Normierung einer Gaußverteilung

Wie wir sehen, haben wir hier eine wunderschöne, symmetrische Glockenkurve. Wir ermitteln wieder unsere Variablen und wenden das Normalisierungsverfahren an:

  • Imax = 50
  • Iavg = 33,9
  • Smax = 50
  • Savg = 3*4/PSmax – 0,5 = 37
  • V = P Savg – PIavg = 37 – 33,9 = 3,1
  • S = P Smax /( PImax + V) = 50/(50+3,1)=50/53,1 = 0,94
SchülerPnNote
Schüler 15050,01
Schüler 24848,11
Schüler 34646,21
Schüler 44242,52
Schüler 54040,62
Schüler 63939,62
Schüler 73939,62
Schüler 83737,83
Schüler 93737,83
Schüler 103636,83
Schüler 113636,83
Schüler 123535,93
Schüler 133233,13
Schüler 143031,24
Schüler 152829,24
Schüler 162627,44
Schüler 172526,54
Schüler 182324,65
Schüler 191517,05
Schüler 201416,15
Durchschnitt33,934,83,00

Die Punktewerte haben sich ein minimal verändert und sind im Schnitt nach oben gegangen. Die Noten sind aber gleichgeblieben. Somit ist auch die Notenverteilung nach wie vor normalverteilt. Die minimale Punktekorrektur nach oben entsteht dadurch, dass der Punkteschnitt von 33,9 kleiner ist als der ideale Schnitt von 37.

In diesem Beispiel macht es keinen Sinn, das Verfahren anzuwenden, aber wir haben gesehen, dass es die Notenverteilung auch nicht negativ beeinflusst.

EIN WICHTIGES WORT ZUM SCHLUSS

Ganz wichtig: Wir befürworten nicht den Lernerfolg an der Normalverteilung der Noten festzulegen. Die Anzahl an „schlechten“ und „guten“ Noten soll nie ein Indikator dafür sein, wie gut Inhalte vermittelt worden sind. Generell ist eine kritische Auseinandersetzung mit der Thematik anzustreben. Hier sollte man als Lehrperson hinterfragen, ob Noten das geeignete Mittel zur Leistungsfeststellung sind. In dem Zusammenhang wollen wir eine interessante und vor allem lesenswerte Aufarbeitung von Uwe Mortensen zu normalverteilten Schulnoten empfehlen. Uwe Mortensen geht auch auf die bayrische Lehrerin Sabine Czerny ein, die 2008 für Schlagzeilen sorgte. Sie wurde damals wegen „zu guter“ Benotung strafversetzt.

Ich hoffe, Dir mit den eingangs beschriebenen Verfahren, ein nützliches Werkzeug in die Hand gelegt zu haben. Vielleicht fällt bald mal wieder ein Test von Dir sehr schlecht aus, und Du kannst mithilfe der Normalisierung Deinen Schülern eine kleine Freude machen.