Lehrer werden ist nicht schwer, Lehrer sein dagegen sehr? Wer schon seit vielen Jahren im Schuldienst tätig ist oder gerade erst frisch aus den Jahren des Referendariats kommt, kann diesen Satz sicher mit einem klaren Ja beantworten.

Nach dem Referendariat beginnt das echte Leben als Lehrer:in. Als Fachlehrkraft oder Klassenleitung wird man mit unterschiedlichen Situationen konfrontiert, in denen die Schüler:innen auf die Unterstützung seitens des/der Lehrer:innen angewiesen sind. Eine dieser Situationen kommt mit Sicherheit vor. Sie betrifft den/die Einzelnen, hat jedoch auch im Klassenverband eine Relevanz: Die Rede ist von Misserfolgen, die sich als schlechte Zensur auf dem Papier der Klassenarbeit niederschlagen. Was kann man als Lehrer:in tun, damit der/die betreffende Schüler:in nach einem Misserfolg wieder aufgebaut wird? Das Stichwort heißt Empathie.

Was ist empathisches Verhalten?

Ein anderes Wort für Empathie lautet Einfühlung oder auch Einfühlungsvermögen. Wer empathisch vorgeht, fühlt sich in das Seelenleben des Gegenübers ein. Er kann sich in seine Gedankenwelt hineinversetzen und ist in der Lage, die Gedanken des Anderen nachzuvollziehen.

Neben der Bewusstwerdung einer Gefühlslage geht mit der Empathie das Ziel einher, auf den Gesprächspartner angemessen einzugehen. Hier kann man im wortwörtlichen Sinn von ‚Mit-Fühlen‘ sprechen.

Einfühlsamkeit setzt Geduld und eine grundsätzliche Offenheit voraus. Wer sich in seine Mitmenschen hineinversetzen möchte, muss auf sie eingehen können und wollen. Das Bestreben, unvoreingenommen auf andere Menschen zuzugehen ist absolut notwendig. Toleranz und Rücksichtname sind ebenfalls von Bedeutung. Man kann sich einfühlsames Verhalten wie eine Formel vorstellen:

Offenheit + Toleranz + Rücksichtname -> Wunsch, sich in die Mitmenschen hineinzuversetzen -> Fähigkeit, ihre Gefühle zu erkennen -> Wunsch, ihnen gegenüber einfühlsam vorzugehen -> Empathie

Warum ist Empathie in der Schule so wichtig? Wie gehe ich bei einem Misserfolg auf die Kinder ein?

Eine Vier oder vielleicht auch mal eine Fünf gehört zum Alltag in der Schule so dazu wie das belegte Brötchen in der Pause. Tatsache ist aber auch, dass sich kein:e Schüler:in über solch ein Ergebnis (zum Beispiel bei einer Klassenarbeit) freut. Negative Gefühle wie Traurigkeit, Wut oder Demotivation sind typische Reaktionen auf eine ‚verhauene‘ Prüfungsleistung.

Frustrierte Schuelerin
Misserfolge gehören beim Lernen leider dazu.

Als Lehrkraft sollte man für jedes dieser Gefühle Verständnis aufbringen können. Kein Empfinden ist besser oder richtiger als das jeweilige Gegenteil. Negative Emotionen bei Misserfolgen sind ebenso nachvollziehbar wie positive Reaktionen auf ein Erfolgserlebnis.

Tipps für Lehrer:innen – so geht Empathie

Versuche einmal, dich an deine eigene Zeit als Schulkind zu erinnern. Wie erging es dir bei einer schlechten Note? Warst du traurig, hast du dich über dich selbst geärgert oder hast du positiv in die Zukunft – sprich zum nächsten Klausurtermin – geschaut? Mit diesem Hintergrund kann man sich als Lehrkraft besser in die Schüler:innenschaft hineinversetzen.

Zeige deinen Schüler:innen, dass bei einer misslungenen Klausur nicht die Welt untergeht. Diese Vergegenwärtigung ist vor allem bei Grundschulkindern oder lernschwächeren Schüler:innen bedeutsam.

Gleichzeitig sollten die Kinder ihren Emotionen Ausdruck verleihen dürfen. Dazu zählt auch der ‚innere Freiraum‘, wegen der schlechten Leistung traurig sein zu können. Je jünger die Schüler:innen sind, umso mehr kommt dieser Aspekt zum Tragen. Sätze wie ‚Jetzt reiß dich mal zusammen, so schlimm ist das mit der Fünf doch gar nicht‘ sehen die Betroffenen in dem Moment völlig anders.

Nach der Notenvergabe oder der Rückgabe der Klassenarbeiten kann eine Zeitspanne von 5 bis 10 Minuten anberaumt werden. In dieser Pause dürfen die Schüler:innen Fragen an die Lehrperson stellen oder ihre derzeitige Gefühlslage zur Sprache bringen. Dazu gehören sowohl positive als auch negative Emotionen.

Bei Kritik an den Leistungen ist ein besonders hohes Maß an Fingerspitzengefühl gefragt. Wenn eine schlecht bewertete Klassenarbeit im Einzelfall vermeidbar gewesen wäre, kann man als Lehrperson wie folgt vorgehen:

Suche mit dem/der jeweiligen Schüler:in das vertrauliche Gespräch unter vier Augen. In dem Gespräch sollte die Lehrkraft auf den Mangel an Lerneifer hinweisen. Im selben Atemzug wird der/die Schüler:in motiviert, dass mehr in ihm/ihr steckt. Das gelingt mit Formulierungen wie in diesem Beispiel:

„Dieses Mal hast du in der Klassenarbeit nicht so gut abgeschnitten, weil du dich nicht ausreichend darauf vorbereitet hast. Dabei kannst du das doch eigentlich. Deine Beiträge im Unterricht sind nämlich gut. Wenn du dich nächstes Mal mehr anstrengst und besser lernst, fällt deine Note auch wieder besser aus“.

Die Leistungsbereitschaft des/der Einzelnen wird mit sachlichen Worten kritisiert. Die Person des/der Schüler:in darf jedoch nicht in Frage gestellt werden. Solch eine Reaktion von Lehrer:innenseite her ist nicht nur unsachlich, sondern auch kränkend. Beide Seiten, allem voran die Lehrkraft, sollten sich daher auf die Note als aktuellen Leistungsstand konzentrieren. Auf diese Weise lernt auch der/die Schüler:in, zwischen der erbrachten Leistung und dem eigenen Selbstwertgefühl zu unterscheiden.

Als Lehrer:in kann man sich bei Schulsozialarbeiter:innen nach hilfreichen Infos rund um die Frage nach dem richtigen empathischen Umgang erkundigen. Schulsozialarbeiter:innen oder -psycholog:innen haben eine akademische Laufbahn hinter sich, in der sie das ‚Handwerkszeug‘ für eine empathische Gesprächsführung gelernt haben.

Lehrerin erklaert Schuelerin etwas
Konstruktives Gespräch mit einer Schülerin.

Solche Beratungsangebote dürfen übrigens auch von der Schüler:innenschaft genutzt werden. Im Gespräch mit der beratenden Person werden sie mit ihren Anliegen ernst genommen. Manche Schüler:innen können sich in diesem Umfeld leichter öffnen, wenn keine Fachlehrkräfte anwesend sind. Das Gefühl, verstanden zu werden und mit den akuten Problemen nicht alleine dazustehen, ist das A und O.

In den Beratungsstunden werden Lösungsansätze erarbeitet, wie man mit Misserfolgen besser umgehen kann. Solche Methoden stärken die Resilienz, also die innere Widerstandskraft.

Das Wichtigste in Kürze

  1. Empathie ist ein anderes Wort für Einfühlsamkeit. Einfühlsamkeit bezeichnet die Kompetenz, Emotionen zu erkennen und mit dem Gegenüber mitzufühlen. Das Mitfühlen ist in diesem Fall wörtlich gemeint.
  2. Gerade im Lebensumfeld ‚Schule‘ geht es nicht ohne einfühlsames Verhalten zwischen Schüler:innen, aber auch im Verhältnis der Lehrkraft zur Klasse.
  3. Bei einem Misserfolg in Form einer schlechten Note kommt es auf Sensibilität an. Viele Schüler:innen reagieren mit negativen Emotionen. Nur wenige krempeln sofort die Ärmel hoch und sagen tapfer: ‚Auf ein Neues!‘.
  4. Freude bei einem Erfolgserlebnis ist ebenso berechtigt wie Traurigkeit oder enttäuschte Reaktionen bei schlechten Prüfungsergebnissen. Es gibt nicht ‚die eine richtige‘ Emotionen, sondern verschiedene Facetten. Sie stehen in engem Bezug zur Persönlichkeit des/der Einzelnen.
  5. Verständnis für die Gefühlslage nach einer misslungenen Klassenarbeit ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Oft geht es den Schüler:innen schon etwas besser, wenn sie sich getröstet fühlen. Je jünger sie sind, umso wichtiger ist der Zuspruch vonseiten der Lehrkraft.
  6. Praxisorientierte Ratschläge von Schulpsycholog:innen sind eine Hilfestellung für alle Beteiligten: Die Lehrer:innen werden auf mögliche Fallstricke (z.B. einen Mangel an Einfühlsamkeit) hingewiesen. Schüler:innen können sich bei den psychologisch versierten Fachkräften ebenfalls einen Rat einholen, wenn sie nicht wissen, wie sie mit dem Misserfolg umgehen sollen oder Angst vor der Reaktion ihrer Eltern haben.
  7. Zur Empathie gehört auch der berühmte Blick nach vorn: Das Verständnis des/der Lehrer:in soll ermutigen, aufbauen und bei der Bewältigung des Misserfolgs helfen. Grundsätzlich können selbstbewusste Schüler:innen einen Ausrutscher leichter verkraften und ihn gedanklich ‚abheften‘. Ihr Selbstwertgefühl hat nicht immer etwas mit dem Leistungsstand zu tun. Das Wissen, trotz eines schlechten Ergebnisses ein wertvoller Mensch zu sein, ist die beste Grundlage für eine gelungene Schulzeit – auch wenn mal eine Klassenarbeit nicht mit einer Eins Plus mit Sternchen bewertet wurde.