Einzelförderung – ist wunderbar, doch ist das auch im Alltag realsitisch? Wir gehen auf diese Thematik näher ein.
Es ist Donnerstag Nachmittag, ich reflektiere die Woche und stelle für den nächsten Tag das wöchentliche Frühstück (meine wöchentliche schriftliche Mitarbeitsüberprüfung) zusammen. Deutsch scheint relativ einfach zu sein, die Lernwörter und der Ansagetext, welchen die Schüler:innen am Wochenbeginn erhielten, wird angesagt. Mathematik entwickelt sich da schon als kleine Herausforderung. Beim weiteren Hinterfragen der Aufgabenstellungen kommt die Frage auf, ob denn eine Klassenarbeit gerecht ist? Kann es bei einer Klassenarbeit überhaupt gerecht zugehen?
Schon bei den Vorbereitungen denke ich darüber nach, wer mit der vorgegebenen Zeit nicht auskommen würde oder wer mit den Aufgaben über- oder auch unterfordert sein könnte. Einem Kind, welches schneller fertig ist als die Mitschüler:innen, Zusatzaufgaben zu geben, damit keine Unruhe aufkommt, ist kein Problem. Doch wie geht man damit um, wenn Kinder mehr Zeit brauchen?

Wenn einzelne Schüler:innen Unterstützung brauchen
Bei alle den Überlegungen kommen mir ein paar Kinder sofort in den Sinn. Clara (Anmerkung: Alle angeführten Kinder sind fiktiv) ist eine Schülerin, welche die Aufgaben zwar versteht, aber zum Lösen und Bearbeiten überdurchschnittlich lange braucht. Ihre Konzentrationsfähigkeit und ihr mangelndes Können stehen ihr im Weg. Schnell wird sie abgelenkt und konzentrierte weiterarbeiten ist kaum möglich.
Doch Clara ist nicht die Einzige, die mit dem Aufgabenformat überfordert ist. Mohammed ist ein leistungsschwacher Schüler und bräuchte beim Frühstück ganz andere Aufgaben. Er schreibt in seiner Not irgendwelche Ergebnisse hin. Und dann ist da noch Luisa. Luisa ist beim Lesen sehr schwach. Sie liest die Angaben, kann damit aber überhaupt nichts anfangen. Ihr müsste man die Aufgabenstellung mehrmals erklären und auch dann hat sie nur große Mühe, diese zu bearbeiten.
Da die Situation es mir nun mal nicht ermöglicht, differenzierte Klassenarbeiten anzubieten, bleibt mir nichts anderes übrig, als auch ihnen jene Klassenarbeit zu geben, welche sie überfordern wird.

Individualisierung
Am Beginn des Frühstücks schlage ich Clara vor, sich in einem separaten Raum zu setzen, wo sie Ruhe hätte ungestört zu lesen bzw. Arbeiten zu können. Eine Kollegin hatte sich bereit erklärt, Carla in der Zeit zu beaufsichtigen, doch Carla lehnt das Angebot ab. Natürlich ist es für eine Schülerin nicht einfach anders zu sein als andere. Eine schwierige Gratwanderung, denn einerseits möchte man ihr Alternativen bieten, andererseits bringt man sie dadurch in eine Außenseiterrolle.
Also sitzt Carla nun wie alle anderen Schüler:innen in der Klasse und beginnt mit dem Arbeiten. Auch wenn alle anderen Schüler so lesen, dass man sie nicht hören kann, ein rascheln mit dem Papier oder das Ablegen eines Stiftes machen ein Geräusch, welches genügt, um Carla aus der Konzentration herauszureißen.
Clara kämpft gegen die Ablenkungen, Luisa mit den sehr einfach gehaltenen Angaben und Mohammed gibt wie seine Mitschüler:innen sein Bestes. Als Clara ihre Klassenarbeit abgibt, sehe ich auf den ersten Blick, dass sie eine Aufgabenstellung falsch verstanden hat. Ich zeige mit meinem Finger auf die Angabe, Clara erkennt den Fehler sofort und geht zurück auf ihren Platz und bessert diesen aus.

Während die drei mit ihrer Arbeit schwer zu kämpfen hatten, sind die anderen zum Teil schon lange fertig und beschäftigen sich still mit kleineren Arbeitsaufträgen. Mittlerweile hat die Pause begonnen und ich ermögliche Carla, Luisa und Mohammed noch weitere Minuten. Unter den normalen zeitlichen Bedingungen währen sie nicht fertig geworden und hätten wahrscheinlich eine weniger gute Arbeit gemacht. Den Mut und die Motivation haben die drei bis jetzt nicht verloren, sie arbeiten weiterhin fleißig und geben ihr Bestes. Diese Beobachtung macht mir Mut und bestärkt mich darin, den Handlungsfreiraum sich herauszunehmen. Aber ist es den anderen Kindern gegenüber gerecht? Jedes Kind hat doch ein Recht darauf, oder nicht?
Hast auch du mit solchen Situationen Erfahrungen gemacht? Wie gehst du im Unterricht mit diesen Situationen um? Schreibe uns deine Erfahrungen und lass und daran teilhaben!
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