In den letzten zwei Jahrzehnten hat das Schlagwort ‚Burnout‘ eine völlig neue Bedeutung bekommen. Ein nicht unerheblicher Prozentsatz der Arbeitnehmer:innen berichtet, sich im Job ‚völlig übernommen‘ und ‚weit über die Belastungsgrenze hinaus‘ gearbeitet zu haben. Was hat es mit Burnout auf sich und weshalb sollten sich vor allem Lehrkräfte über dieses Krankheitsbild informieren?

Ein nicht unerheblicher Prozentsatz der Arbeitnehmer:innen fühlt sich im Beruf übernommen, überfordert oder überlastet.
Ein nicht unerheblicher Prozentsatz der Arbeitnehmer:innen fühlt sich im Beruf übernommen, überfordert oder überlastet.

Was ist Burnout für eine Krankheit und wie entsteht sie?

Burnout gilt längst nicht mehr als Krankheit von Arbeitnehmenden in der freien Wirtschaft. In jedem Berufszweig gibt es Betroffene, die wegen Erschöpfungszuständen in Behandlung sind. Selbst an der Universität haben Studierende die Möglichkeit, sich an entsprechende Beratungsstellen zu wenden.

Das sprichwörtliche ‚Ausgebranntsein‘ wird den psychischen Erkrankungen zugezählt. Trotz seines Ursprungs in der Psyche hat das Krankheitsbild Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit, die zur Erwerbsunfähigkeit führen können.

Der Beginn der Erkrankung ist ein langsamer Prozess. Vielen Betroffenen ist die Krankheit im frühen Stadium gar nicht bewusst. Ein nicht greifbares Gefühl von Erschöpfung, Ausgelaugtsein oder innerer Leere geht dem Vollbild dieser komplexen Überlastungsstörung voraus. Im Laufe der Zeit manifestieren sie sich und führen zum Burnout. Man ist völlig ausgebrannt und nicht mehr in der Lage, seinen beruflichen Anforderungen nachzukommen. Dieses Unvermögen kann eine Depression auslösen, welche die Genesung zusätzlich erschwert.

Bricht die Erkrankung aus, ist dies meist ein langsamer und schleichender Prozess und vielen ist am Beginn die Erkrankung nicht bewusst.
Bricht die Erkrankung aus, ist dies meist ein langsamer und schleichender Prozess und vielen ist am Beginn die Erkrankung nicht bewusst.

Die Ursachen sind vielfältig: Leistungsdruck, schlechte Arbeitsbedingungen, Mobbing oder eine grundsätzliche Abneigung gegen die jeweilige berufliche Tätigkeit können die Entstehung einer Burnouterkrankung begünstigen. Aus diesem Grund wird der Verlauf der Erkrankung von individuellen Faktoren bestimmt, die oft nur ein:e Psycholog:in entschlüsseln kann.

Manche Patient:innen berichten in Gesprächen mit ihren zuständigen Ärzt:innen, dass sie sich im Laufe ihrer Karriere zu viele Aufgaben zugemutet haben. Den schmale Grad zu einer Überlastung hatten sie unbemerkt überschritten: Ein oder zwei Überstunden am Tag waren anfangs noch zu verkraften. Diese zusätzliche Arbeitszeit wurde schließlich zur Gewohnheit und wuchs zu drei bis vier Stunden heran. Die weiteren körperlichen und seelischen Folgen wurden bereits thematisiert.

Welche Symptome deuten auf ein Burnout hin?

Der Beginn der Erkrankung drückt sich in Form eines subjektiven Empfindens von anhaltendem Stress aus. Zeit für Hobbys oder Treffen mit Bekannten muss zugunsten von beruflichen Verpflichtungen ‚zweckentfremdet‘ werden.

Eine schmale Gratwanderung, die auf Dauer rasch zu einer manifestierten Erkrankung führen kann.
Eine schmale Gratwanderung, die auf Dauer rasch zu einer manifestierten Erkrankung führen kann.

Manche Betroffene vollziehen zu diesem Zeitpunkt eine innere Kündigung: Sie können sich mit ihrem Job nicht mehr identifizieren und empfinden ihn zunehmend als seelische Belastung. Diese Situation liegt besonders dann vor, wenn man den Beruf ohnehin nur als Notlösung ergriffen hat, weil keine anderen geeigneten Stellen frei waren. Doch auch wenn Patient:innen ihrer Arbeit früher gerne nachgegangen sind, lassen sich Verhaltensänderungen feststellen.

Neben Leistungseinbußen ist ein sozialer Rückzug zu erkennen. Hinzu kommt ein seelisches Ungleichgewicht, welches sich in Form von Gereiztheit, Traurigkeit oder ähnlichen Stimmungsschwankungen ausdrückt.

Bei einer weit fortgeschrittenen Überlastungsreaktion kommen körperliche Symptome wie Herz-Kreislauf-Beschwerden, Schlafmangel oder Nervenzusammenbrüche hinzu. Auch schwere Depressionen sind als Begleiterscheinung bei Burnout keine Seltenheit. Im schlimmsten Fall können die Betroffenen ihrem Beruf nicht mehr nachgehen und werden erwerbsunfähig.

Auf die Diagnose ‚Burnout‘ folgt zumeist eine Krankschreibung auf unbestimmte Zeit. In diesem Zeitraum sollen die Betroffenen Abstand zu ihrem Job bekommen. Für die seelische Stabilisierung empfehlen sich psychotherapeutische Behandlungen.

Warum sind viele Lehrer:innen betroffen?

Grundsätzlich ist niemand vor Burnout gefeit. In jeder Branche sind derartige Fälle zu verzeichnen. Statistische Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass Lehrkräfte zu den Risikogruppen gehören. Bereits während des Referendariats klagen rund 25 Prozent der Lehrer:innen in spe über anhaltende Erschöpfung oder die Befürchtung, den Anforderungen im Klassenzimmer nicht gewachsen zu sein. Etwa 30 Prozent geben innerhalb von 5 Jahren ihren Lehrberuf auf und orientieren sich neu. Zudem bestimmt die jeweilige Schulform das Risiko, an Burnout zu erkranken. Bei den Grundschullehrkräften liegt die Rate bei etwa 40 Prozent. Dieser Prozentsatz geht signifikant über den Wert heraus, der für Lehrkräfte an weiterführenden Schulen statistisch ermittelt wurde.

Einer der Hauptgründe liegt in der Diskrepanz zwischen Theorie im Lehrbuch und dem echten Alltag vor der Tafel. Im Referendariat erleben viele Absolvent:innen einen ‚Kulturschock‘: Ihnen begegnen Situationen, auf die sie in keiner Vorlesung vorbereitet wurden. Klassen mit einer großen Anzahl an Schüler:innen, unzureichende Kommunikation im Kollegium oder ein erhebliches Leistungsgefälle im Klassenverband sind selbst für erfahrene Lehrkräfte schwer zu bewältigen.

Für Neueinsteiger:innen ist der Unterschied zu den theoretischen Inhalten aus den Studienjahren noch massiver. Vier- bis fünfwöchige Praktika ermöglichen erste Einblicke in den Alltag als Lehrer:in. Den tatsächlichen Arbeitsalltag an der Schule lernt man erst im Referendariat kennen.

Die wahre Realität holt viele Junglehrer:innen erst im Lehrer:innenalltag ein. Das Studium mag fachliche Kompetenzen mitgeben, aber auf den richtigen Alltag bereitet es angehende Lehrer:innen nur mangelhaft aus.
Die wahre Realität holt viele Junglehrer:innen erst im Lehrer:innenalltag ein. Das Studium mag fachliche Kompetenzen mitgeben, aber auf den richtigen Alltag bereitet es angehende Lehrer:innen nur mangelhaft aus.

Was kann man gegen Burnout tun?

Als Lehrer:in oder Berufstätige:r im Schuldienst kannst du präventiv gegen Burnout vorgehen. Das Überlastungssyndrom wird frühzeitig erkannt oder kann gar nicht erst entstehen, wenn man die folgenden Stichpunkte als Leitfaden verwendet. Sie richten sich sowohl an Referendar:innen als auch an Lehrkräfte, die seit vielen Jahren an Schulen unterrichten.

  1. Nach jedem Arbeitstag sollte man sich 5 Minuten Zeit nehmen, um die Geschehnisse des Tages zu reflektieren: Welche guten Ereignisse gab es? Welche Situationen blieben als weniger positive Erlebnisse in Erinnerung?
  2. Selbstreflexion erfordert auch einen gewissen Grad an Mut zu sich selbst. In den stillen 5 Minuten kann man die eigenen Stärken und Schwächen erörtern. Gerade in der Anfangszeit als Referendar:in wird man sich eingestehen müssen, dass einem viele Abläufe noch nicht so leicht fallen. Das ist völlig normal und hat mit Berufserfahrung zu tun. Ein zu strenger Blick auf die eigene Expertise ist demotivierend. Wer verständnisvoll mit seinem (bislang noch) begrenzten Handlungsspielraum umgeht, arbeitet deutlich motivierter.
  3. Rücksprache mit alteingesessenen Kolleg:innen ist ein wichtiger Teil der präventiven Maßnahmen. In einem Austausch unter vier Augen kannst du deine Anliegen, aber auch alle Sorgen und (Selbst-)Zweifel offen auf den Tisch legen. Vielleicht klären sich manche Fragen schon in diesen vertraulichen Gesprächen. Wenn du mit einer bestimmten Klasse oder einer mangelhaften technischen Ausstattung in Fachräumen deine liebe Not hast, dann sprich deine Gedanken an. Du befindest dich möglicherweise in guter Gesellschaft und fühlst dich besser verstanden.
  4. Jede:r Lehrer:in sollte sich in regelmäßigen zeitlichen Abständen fragen, ob die Berufswahl richtig war: ‚Würde ich es wieder tun, also mich wieder in ein Lehramtsstudium immatrikulieren, um anschließend in Vollzeit zu unterrichten?‘. Auch hier kommt es auf Ehrlichkeit an. Wenn du die Frage mit einem eindeutigen Nein beantwortest, sollten die Gründe gesucht werden.
  5. Abgeschlagenheit, chronische Erschöpfung oder eine depressive Grundstimmung sind Alarmzeichen. Spätestens jetzt sollte man sich professionelle Hilfe suchen. Diese Erkenntnis hat nichts mit Versagen zu tun. Je früher man sich Unterstützung holt, desto besser ist die Prognose. Die Entstehung eines Burnouts kann rechtzeitig aufgehalten und eine Erwerbsunfähigkeit abgewendet werden.

Zusammengefasst bedeutet die Liste, dass Reden hilft. Sich mitzuteilen und seine Sorgen mit anderen zu teilen ist ein wichtiger Grundbaustein im Kampf gegen drohendes Burnout.

Reden hilft, gerade wenn es um Burnoutprophylaxe geht.
Reden hilft, gerade wenn es um Burnoutprophylaxe geht.

Burnout kann jede:n treffen

Burnout kann jede:n treffen. Alter, Bildungsstand oder Berufserfahrung spielen dabei keine Rolle. Unter den Betroffenen befinden sich viele Studienabsolvent:innen, andere Patient:innen bekommen ihre Diagnose zu einem späteren Zeitpunkt.

Es geht nicht darum, Lehramtsstudierenden oder Referendar:innen von ihrer Berufswahl abzuhalten oder gar abzuschrecken. Darüber hinaus soll der Beruf der Lehrkraft nicht pathologisiert werden. Das Ziel ist eine Aufklärung über das Krankheitsbild. Die Sensibilität soll erhöht werden. Das Eingeständnis, auf Hilfe angewiesen zu sein, zeugt von einer guten Selbstkenntnis.

Burnout ist kein Zeichen von Schwäche. Es handelt sich um eine Krankheit, die in allen Alters- und Bildungsschichten auftreten kann – und sich bei Früherkennung gut therapieren lässt.